Was für eine Symbolkraft! Am Eingang Vom Landratsamt Greiz Wurden nicht nur Plakate abgelegt, sondern auch Blumen, entwertete Zeugnisse, Urkunden und Grabkerzen.

Während die bisherigen „Spaziergänger“ sich gegen Polizeigewalt und für die uneingeschränkte Gültigkeit aller Grundrechte erheben, richtete sich die gestrige Demonstration vor dem Landratsamt Greiz gegen die Impfpflicht im Gesundheits- und Pflegewesen. Es verwundert also nicht, dass man in viele bekannte Gesichter sah, Mitarbeiter und Chefs.

Foto Jarling GbR

Die Demonstration von ca. 550 Teilnehmern begann vor dem Landratsamt Greiz und zog sich dann vorbei am Gesundheitsamt. Dessen Mitarbeiter hatten dabei einen Vorgeschmack über die absehbar auf sie zukommenden Arbeit. Denn es werden nicht nur 550 Verfahren zu bearbeiten und Bescheide über Betretungs- und Tätigkeitsverbote zu Arbeitsplätzen zu erlassen sein, weil sie zuständig sind für den gesamten Landkreis Greiz.
Das hatte wahrscheinlich auch unsere Landrätin, Martina Schweinsburg, im Blick, als sie ihr Schreiben an die Gesundheitsministerin Heike Werner vom 12.01.2022 verfasste, dass seither in sozialen Netzwerken kreist und sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Kann man über sie denken was man will, wir (IWA-Pro Region) sind fast generell sehr kritisch mit ihr, aber für dieses Schreiben verdient sie unseren Respekt. Sie spricht an, was allen auf dem Herzen liegt. Sie schaut mit Besorgnis auf die möglichen Auswirkungen bei der restriktiven Umsetzung des § 20a IfSG. Darin wird der Immunitätsnachweis gegen COVID-19 für nahezu alle medizinischen Einrichtungen sowie alle mit der Pflege beauftragten
Personen verlangt. Zuständig für die Entgegennahme sind erst einmal alle Arbeitgeber, die bei Nichtvorliegen der Nachweise ihre Mitarbeiter an das Gesundheitsamt zu melden haben. Das Gesundheitsamt entscheidet dann und erlässt ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot, daneben weiterhin die erforderlichen Quarantäneanordnungen. Die dadurch bedingten Personalausfälle, sie rechnet mit ca. 30 %, bringe Engpässe hervor, die an die Belastungsgrenze der Einrichtungen gehen und weiß, dass aus eigenen Kräften kein zusätzliches Personal rekrutierbar ist. Sie sieht hier eine
Verschärfung des bereits jetzt bestehenden Pflege- bzw. Versorgungsnotstand. Selbst die Belastung von Arbeitsgerichten und Arbeitgebern hat sie im Blick – denn der Gesetzgeber greift hier in die Privatautonomie ein und zwingt letztlich Arbeitgeber zu Kündigungen u.a. Und sie ist sich sicher, dass Arbeitnehmer mit zwischenzeitlich anderweitiger beruflicher Orientierung langfristig nicht mehr in Gesundheitsberufen tätig sein werden, was bereits jetzt an der Gastronomie sichtbar werde.
Frau Schweinsburg ist zum einen Chef der Ordnungsbehörde und des Gesundheitsamtes, weshalb sie die Überforderung des eigenen Personals im Blick hat, zum anderen ist sie die Vertreterin des Gesellschafters Landkreis Greiz am Kreiskrankenhaus Greiz und Ronneburg u.v.m. Das was mühsam erreicht wurde, um die wirtschaftliche Stabilität des Greizer Kreiskrankenhauses zu erreichen, könnte durch entstehenden Personalmangel ins völlige Gegenteil verkehren. Das kann nicht Ziel des Gesetzgebers gewesen sein. Denn der Versorgungsauftrag kranker, pflege- und schutzbedürftiger
Menschen besteht weiter fort (Sozialstaatsprinzip).

Foto Jarling GbR

Vielmehr ist der Gesetz- und Verordnungsgeber der, der mit dem Infektionsschutzgesetz eigentlich Gefahrenabwehr im Blick hat. Das ist und bleibt eine hoheitliche Aufgabe, weshalb Ordnungsbehörden und Polizei die zur Gefahrenabwehr Zuständigen sind und normalerweise nicht die Arbeitgeber. So wurde der Demonstrationszug auch durch die Polizei umsichtig begleitet und abgesichert. Deren Lautsprecherdurchsagen – lt. OTZ-Mitteilung – waren allerdings lärmbedingt nicht zu hören.

Die Demonstranten zogen strategisch vorbei am Marstallgebäude – der Stadtverwaltung – durch die Innenstadt, weiter vorbei am „Pflegeheim an der Schloßbrücke“, zum Pflegeheim „Altes Finanzamt“ und zurück über die Carolinenstraße, vorbei an Arztpraxen, Therapiepraxen und Pflegediensten zum Landratsamt. Im Innenhof am Eingang wurden nicht nur die Plakate abgelegt, sondern auch Blumen, entwertete Zeugnisse, Urkunden und Grabkerzen. Was für eine Symbolkraft! Frau Schweinsburg wurde am Fenster vermutet, aber zu ein paar Worten zu den Demonstranten hat es dann nicht gereicht, sehr schade.

Nun kann man über (unangemeldete) Demonstrationen denken was man will: Da ist die Frage der Vorbildwirkung, wenn das Maskentragen zum Großteil entfällt, wenn der Verkehr zumindest Minutenweise zum Stillstand kommt, weil die Menschen bei Rot über die Ampel oder generell wegen der Masse auf der Straße laufen, der Innenhof des Landratsamtes belagert und der Eingang durch die Polizei geschützt wird. Da sind aber auch die Ängste um Unternehmen, um Arbeitsplätze und um Patienten, ja um uns selbst.

Was sind wir für freie Menschen, wenn wir kein Recht haben, selbst zu entscheiden, ob wir uns impfen lassen oder nicht? Gerade die Menschen, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten, kennen die Gefahren. Es trifft jeder seine Impfentscheidung, dafür oder dagegen. Ist das nicht vor allem ethisch richtig so? Angesichts der gespaltenen Wissenschaft, der gespaltenen Politik – man schaue sich den Bundestag an -zweiseitige Gruppenbildung am Arbeitsplatz, teils in den Familien und Freundeskreisen, wollen wir nicht bewerten, sondern aufklären und informieren, ein Problembewusstsein schaffen, wieder zusammenführen. Denn irgendwie ist jeder davon betroffen. Es gibt nicht nur schwarz/weiß!

IWA -PRO Region: Andrea Jarling, Greiz, den 21.01.2022


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